Das volle Potenzial der SAP S/4HANA-Transformation ausschöpfen: leichter gesagt als getan! Denn ob der Neustart reibungslos funktioniert, hängt in hohem Maße vom gewählten Migrationsansatz ab. In diesem Artikel zeigen wir, warum der immer noch beliebte Brownfield-Ansatz in den meisten Fällen keine optimale Lösung ist.

Zwei Männer sehen sich einen Projektplan an.

Die Entscheidung steht fest: Ihr Unternehmen wird in Kürze zu SAP S/4 HANA migrieren. Und jetzt, da es bald losgeht, stellt sich natürlich die Frage nach dem WIE. Radikaler Wechsel mit dem Greenfield-Absatz, Daten und Prozessen treu bleiben mit dem Brownfield-Ansatz oder doch der Mittelweg mit der Selective Data Transition (SDT)? Natürlich gibt es auch hier keine allgemein gültige Antwort. Damit Ihnen die Entscheidung trotzdem leichter fällt, haben wir in dieser Artikel-Serie alle wichtigen Informationen zu den Migrationsansätzen zusammengefasst. Im zweiten Teil der Serie widmen wir uns dem Brownfield-Ansatz:

Was versteht man unter dem Brownfield-Ansatz?

Der Begriff „Brownfield“ leitet sich aus der Bauplanung ab und bedeutet so viel wie „Brachfläche“ oder „Altlast“. Bestehende, oder brachliegende Strukturen werden für neue Zwecke umgewandelt oder saniert werden – im Gegensatz zu „Greenfield“-Projekten, bei denen auf unberührtem Land von Grund auf neu gebaut wird.

In der IT beschreibt der Brownfield-Ansatz die Modernisierung oder Weiterentwicklung bestehender Systeme und Infrastrukturen. Im SAP-Kontext handelt es sich dabei typischerweise um eine Migrationsstrategie, bei der ein existierendes SAP ERP direkt zu S/4HANA konvertiert wird. Hierbei werden die Nutzerdaten, Prozesse und individuellen Modifikationen der alten Software erhalten und direkt auf die neue Plattform übertragen.

Vorteile der Brownfield-Migration

Der Brownfield-Ansatz scheint vor allem Unternehmen attraktiv, die ohne drastische Veränderung migrieren möchten. Da alle Unternehmensprozesse und Daten schon vorhanden sind und nicht neu definiert werden müssen, kann die Migration mit weniger Aufwand und in kürzerer Zeit durchgeführt und das neue System zum Laufen gebracht werden. Ein schnellerer Go-live kann also personelle Ressourcen sparen. Außerdem bleiben historische Daten und eigene Entwicklungen erhalten, die im neuen System für Analysen und Prognosen genutzt werden können.

Ein weiterer Vorteil: Mitarbeitende müssen sich nicht von Grund auf an neue Prozesse gewöhnen. Das verbessert die Akzeptanz und ermöglicht ein produktives Arbeiten ohne aufwendiges Change Management.

Nachteile der Brownfield-Migration

Wie der Begriff Brownfield schon sagt, werden zwangsläufig auch Altlasten ins neue SAP S/4HANA überführt. Mit einigen Risiken! Wenn Unternehmen strikt an alten Prozessen und Strukturen festhalten, kommt es nicht selten vor, dass völlig veraltete Daten in nagelneuen Systemen landen und diese ineffizient machen. So nehmen sie sich die Chance, sich agiler sowie resilienter aufzustellen und in der Konsequenz, auch in Zukunft dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein. Kurz gesagt: Das Potenzial des neuen Systems kann sich nicht voll entfalten.

Ein Faktor den Unternehmen zudem in Betracht ziehen müssen ist, dass die Migration an allen Standorten zur selben Zeit – in einem sogenannten „Big Bang“ erfolgen muss. Im Gegenteil zum Greenfield-Ansatz wird in aller Regel das neue System nicht parallel zum alten aufgebaut. Schlägt der Go-live fehl, gibt es keine Möglichkeit für einen Rollback, sondern führt immer zu erheblichen Ausfallzeiten. Dieses Risiko kann man zwar über ein Back-up-System in der alten Version ein wenig eindämmen. Allerdings ist das Zeitfenster für den Roll-Back extrem klein. Wenn also die wirklichen Probleme erst nach zwei Arbeitstagen auftauchen, ist es zu spät!

Und der wohl wichtigste Nachteil einer Brownfield-Migration ist, dass diese nur on-premise funktioniert. Warum ist das ein Problem? Schließlich betreibt ein Großteil der SAP-Kunden ihre Lösungen auf diese Art! Die Antwort liegt in der Cloud-First-Strategie von SAP. CEO Christian Klein hat vor Kurzem angekündigt, Innovationen zukünftig nur noch in der Cloud anbieten zu wollen. Wenn sich die Ankündigung bewahrheitet, bedeutet das für on-premise-Kunden, dass sie von wichtigen Weiterentwicklungen von SAP S/4HANA nicht mehr profitieren werden.

Der Brownfield-Ansatz ist für Unternehmen geeignet, die …

  • über neue ERP-Systeme verfügen (maximal 5 Jahre), wenig Heterogenität aufweisen und schon nah am SAP-Standard sind.
  • nicht von den neuesten SAP-Innovationen in der Cloud profitieren möchten.
  • eine ähnliche Ausgangs- und Zielarchitektur haben.
  • darauf angewiesen sind, Altdaten ins neue System zu überführen.
  • alle Standorte in einem Big Bang migrieren wollen.
  • eine schnelle Migration wünschen und weniger Wert auf eine komplette Neugestaltung der Geschäftsprozesse legen.

Welcher Ansatz ihnen auch immer am sinnvollsten erscheint: Lassen Sie sich auf jeden Fall von Expert*innen beraten! Ein für Ihr Unternehmen ungeeigneter Ansatz kann im schlimmsten Fall explodierende Kosten bis hin zu Geschäftsunterbrechungen verursachen. Im Optimalfall legt die erfolgreiche Migration aber den Grundstein für mehr Resilienz und Innovationskraft – und damit die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens.

Der Autor

Andreas Holtschulte

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